Der Bass - Die Basis von Raum und Klang
Der Klang digitaler Medien ist im Bereich des Hörens historisch gewachsen. Heute gibt es Vorschriften, die genau regeln, wie Klangräume beschaffen sein müssen und wie Musikaufnahmen letztlich klingen sollen. Hier ist unter anderem die DIN 18041 (Hörsamkeit in kleinen und mittelgroßen Räumen) zu nennen.
 
Sehr viele Regelwerke befassen sich mit Lärmschutz, Trittschalldämmung, Gehschalldämmung, akustischen Eigenschaften von Bauteilen, Schallintensitätsmessgeräten, Schallabsorption in Räumen, lärmarmen Arbeitsstätten und Büroräumen, Schallschutz im Städtebau, Hochbau und Wohnungsbau, Berechnungsgrundlagen für Schall- und Pegelmessungen, Messung raumakustischer Kenngrößen, Schallabstrahlung, akustische Bewertung von Materialien und vieles mehr. Sie sehen, das Gebiet der Akustik ist vollständig abgedeckt.
 
Alle Vorschriften zusammen mit den Empfehlungen der Industrie ergeben unser heutiges Klangbild. Sie gelten auch für Arenatheater, Tonstudios, Opernhäuser und Theater, Musikunterrichtsräume, Proberäume usw.  Das gilt auch für Musik und Sprache in Aufnahmestudios. Hier beginnt das Problem.
 
Gibt es ein Problem, wenn alles geregelt ist? Es ist ein kleiner Kreis von Tonmeistern und Musikern, die darin tagtäglich ein Problem sehen. Einige aus den eigenen Reihen sind mit den Vorschriften nicht zufrieden und wünschen sich eine Umkehrung der technischen Festlegungen in den Vorschriften.
 
Verschiedene Musikaufnahmen unterscheiden sich im Klangergebnis und in der Qualität. Produzenten, Agenturen und Sponsoren haben sich gegen das bessere Wissen von Musikern und Tonmeistern durchgesetzt. Verkaufsabsichten stehen im Vordergrund. Wie bereits erwähnt, sind die Vorschriften historisch gewachsen und wurden in den 1960er Jahren festgelegt.
 
Was fehlt in den Regelwerken bzw. was ist weggefallen oder anders geregelt worden?
 
Wie wurden Musikaufnahmen vor dem Zeitalter der Vorschriften gemacht?
 
Warum war früher für Tonmeister und Musiker "alles besser"?
 
In den Vorschriften ist sinngemäß geregelt, dass in der Raumakustik oberhalb von 8000 Hz die Frequenzen keine Rolle mehr spielen. Von 4000 Hz bis 8000 Hz spielen die Frequenzen eine untergeordnete Rolle. Interessant ist der Frequenzbereich von 250 Hz bis 4000 Hz. Unterhalb von 250 Hz sind die Frequenzen vernachlässigbar, unterhalb von 125 Hz sind sie nicht mehr zu beachten.
 
Die Frequenzbasis (bis 125 Hz) fehlt!
 
Es ist bekannt, dass Frequenzen in diesem Grundtonbereich akustische Klarheit und Transparenz schaffen, das gegenseitige Hören und Verstehen wesentlich erleichtern und den unbewussten Zwang zum "lauter stellen" nicht kennen. Alle Frequenzen oberhalb von 125 Hz bauen auf dieser Frequenzbasis auf.
 
Musikinstrumente senden nicht nur ihre musikalisch definierten Töne aus, sondern auch breitbandige Schallereignisse beim Anschlagen, Anblasen und Streichen. Dies gilt insbesondere für Zupf- und Schlaginstrumente wie Harfe, Klavier, Trommeln, Pauken, Tumba, Bongo, Gong, Xylophon etc. Das bedeutet nichts anderes, als dass es ein gemischtes Klangspektrum gibt, und zwar auch im unteren Frequenzbereich. Es gibt beachtliche tieffrequente Spektren.
 
Die Berliner Philharmoniker wurden 1913 in einem sehr engen Studio mit sehr wenig Nachhall aufgenommen. Dieser Raum gleicht in seinem Aussehen und seinen akustischen Eigenschaften eher einer Garage. Direkt am Dirigenten wurde das gesamte Frequenzspektrum mit einem Trichter aufgenommen (sogenannte Trichter-Epoche). Hier wurde nichts gefiltert. Lediglich die Lautstärke der einzelnen Musiker wurde vom Dirigenten angepasst.
 
Der Frequenzgang während der Aufnahme reichte bis weit unter 20 Hz. Beim Abspielen wurde die ursprüngliche Körperlichkeit des Klangbildes wieder erreicht. Bei der Wiedergabe kam man mit weniger Lautstärke aus. Ohne den fehlenden Bassanteil ist die Wiedergabe lauter.
 
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Im Laufe der Jahre kam es im Zuge der "technischen Entwicklung" zu einer Auffächerung dieser Aufnahmetechnik. Viele Mikrofone wurden aufgestellt. Erst dadurch wurden Aufnahme- bzw. Tonstudios notwendig, die alles wieder willkürlich zusammenführen. Je nach Tontechniker oder Aufnahmeleiter entsteht heute ein anderes Klangbild. Stellen Sie sich einen Sänger vor, der nur wenige Zentimeter vor seinem Mund ein Mikrofon hat. Wie natürlich klingt diese Aufnahme?
 
In Aufnahmestudios wird den tiefen Tönen durch bauliche und technische Maßnahmen entgegengewirkt. Die hohen Frequenzen werden bis mindestens 20 Khz aufgenommen, man will ja die CD's rechtfertigen, obwohl ein durchschnittlich 50-jähriger Mensch die Frequenz nur bis ca. 10 Khz wahrnimmt. Die Industrie diktiert uns unser heutiges Klangbild.
 
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In Kirchen folgt die Akustik ganz anderen Regeln. Zum Beispiel wird in Kirchen "Flüsterschall" eingebaut. Nach der neuen DIN-Planung ist auf Flüsterschall unbedingt zu verzichten. Die Nachhallzeit in Kirchen widerspricht unserer DIN-Norm von ca. 1,3 s für Musik und ca. 1,8 s für Sprache. Messungen in Kirchen ergaben Nachhallzeiten von bis zu 3 s. Nun gibt es Kirchen, die sich besonders gut für Aufnahmen eignen. Oft sind es Kirchen, die nach dem 2. Weltkrieg nicht nach DIN-Norm wieder aufgebaut wurden.
 
Der relativ lange Nachhall nimmt bei tiefen Frequenzen gleichmäßig ab. Bei mittleren und hohen Frequenzen wirkt er sich nicht, wie befürchtet, negativ, sondern durchweg positiv aus. Das kann kein Zufall sein. Seit mehr als 60 Jahren ist die Akustik für Musiker, Tonmeister und Hörer ein Rätsel. In meiner Arbeit über die Position des Sarkophages in der Königskammer der Cheops-Pyramide habe ich die akustisch optimale Position gefunden und beschrieben. Diese optimale Position wurde auch bei der Planung von Kirchen berücksichtigt.
 
Es wäre wünschenswert, die DIN-Normen nach klangästhetischen Gesichtspunkten zu überarbeiten bzw. zu erweitern. Die Wahrnehmung von Schall wurde für die DIN-Norm nach Pegel und Lautstärke entwickelt, anstatt sich an der Qualität für den Zuhörer zu orientieren.
 
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Schallanteile bis in den Infraschallbereich sind in der Natur allgegenwärtig. Sturm, Gewitter, Starkregen und Hagel oder Meeresbrandung sind dem Menschen seit langem bekannt. Aufnahmetechnisch ist es auch heute noch sehr schwierig, diesen Infraschall aufzuzeichnen. Die Wiedergabe ist im tiefen Frequenzbereich nahezu unmöglich. Hier scheitert unsere moderne Technik. Als Grundlage von Raum und Klang ist Infraschall aber unverzichtbar, wie die originale Aufnahmetechnik der Berliner Philharmoniker von 1913 (oder ähnliche Aufnahmen aus dieser Zeit) beweist. Die Industrie macht es sich sehr einfach und verzichtet zugunsten der Einfachheit auf die ursprüngliche Körperlichkeit des Klangbildes.
 
Fehlt uns modernen Menschen das Wissen über Infraschall und die entsprechenden Baugeometrien und Raumvorstellungen?
 
Haben wir deshalb eine DIN-Norm erlassen, die diese rätselhaften Phänomene gezielt umgeht bzw. bekämpft (Absorber etc.)?
 
Kannten nur die alten Kulturen dieses Wissen?
 
Zumindest sieht es so aus.
 
Ich denke, ein Klangbild muss erlebt werden. Dazu gehört auch der körperlich wahrnehmbare Infraschall. Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass in einem 3D-Kino die Sitze mit Motoren und Körperschall-Lautsprechern ausgestattet sind. Die junge Generation liebt tiefe Bässe und lässt sich von der Industrie nicht bevormunden. Eine Techno-Party oder der Umbau des eigenen Autos mit Basslautsprechern wäre vor 30 Jahren noch undenkbar gewesen. Findet hier eine musikalische Umkehrung des Klangbildes für uns Menschen statt? CD-Qualität bis 20 KHz scheint nur noch die Industrie zu interessieren.
 
Was fasziniert uns Menschen an tiefen Tönen? Hier interessiert nicht nur die technische Grundlagenforschung.
 
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Anmerkung:
 
Die Nachhallzeit in der Königskammer der Cheops-Pyramide mit Granitwänden habe ich mit aktueller Software auf 16,1 Sekunden berechnet. Schon die Hälfte, also 8 Sekunden, versprechen ein unglaubliches Klangbild.
 
Ich persönlich kann mir den Originalklang sehr gut vorstellen. Stellen Sie sich vor, Sie stünden bei einem Open-Air-Konzert direkt vor den Musikern und könnten den Klang direkt hören, anstatt von der Aufnahmeleitung bevormundet zu werden.
 
Einige Leserinnen und Leser sind sicher schon einmal in den Genuss eines Ständchens gekommen, z.B. zum Geburtstag. Die sogenannte Trichterzeit konnte genau dieses musikalische Ereignis sehr originalgetreu wiedergeben.
 
Leider gibt es das in unserer digitalen Welt nicht mehr...
 
 
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